Wer im Geist lebt, lebt im Überfluss
So will ich versuchen, in meinen Gedanken einen möglichst ursprünglichen Zugang zu diesem Fest herzustellen. Und ich möchte mich dabei sehr eng an die Aussagen der Schriftlesungen vom Pfingstsonntag halten.
Pfingsten als „Geburtstagsfest der Kirche“
Zu Pfingsten erinnern wir uns sozusagen an das Gründungsereignis der Kirche: da öffnen sich die Jünger:innen, da treten sie auf einmal hinaus und gehen auf die Menschen zu, da finden sie eine Sprache, die jede:r versteht, da bekommen sie den Mut und die Kraft, für den Glauben einzustehen und heilsam zu wirken - und all das bewirkt das Herabkommen des Heiligen Geistes, den Jesus ihnen bei seinem Abschied und in seinen Erscheinungen nach Ostern verheißen hat (Apg 2,1-11 und Joh 20,19-23).
Wir haben oft ein wenig Schwierigkeiten damit, wie wir uns diesen Heiligen Geist vorstellen können. Auch in der Bibel treffen wir dazu auf keine theoretische Erklärung oder Abhandlung, sondern vielmehr immer wieder auf verschiedene Bilder und Symbole. Es scheint im Wesen des Heiligen Geistes zu liegen, dass er sich schwer fassen lässt. So wird er uns vor allem von dem her beschrieben, wie er wirkt.
Und diese Wirkung, die Bewegung des Geistes hat etwas zu tun mit Leben und Luft (Wind). Der Heilige Geist gibt uns Luft zum Leben, schenkt uns den Lebensatem, lässt uns aufatmen, schafft und (er)weckt Leben. Im Deutschen verwenden wir ja auch das Wort „herumgeistern“, d.h. da ist etwas oder jemand lebendig, in Bewegung, da kommt auch etwas/jemand durcheinander.
Der Heilige Geist steht auch für das weibliche Prinzip in Gott, das Lebenschaffende, das Mütterliche und Bergende, denn das ursprüngliche Wort im Hebräischen ("ruach") ist ein feminines Wort. Wir müssten also, wenn wir uns an die Bibel halten, eigentlich von der Heiligen Geistin sprechen. Ich glaube, dass es gut ist das zu wissen, weil ja unser Bild von Gott traditionell doch sehr geprägt ist von männlichen, patriarchalen Zügen.
Die Geistesgaben
Weiters berichtet die Bibel davon, dass es da verschiedene Gaben gibt, die der Heilige Geist uns schenkt und die uns zu Leben und Lebendigkeit verhelfen. Besonders schön kommt das auch in der zweiten Lesung aus dem Korintherbrief zum Ausdruck (1 Kor 12,3b-7.12-13). Da schreibt der Apostel Paulus:
„Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist.
Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn.
Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allem.“
Und dann folgt ein Satz, der uns einen wichtigen Hinweis gibt:
„Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.“
Paulus betont hier also etwas ganz ausdrücklich: diese Gaben des Geistes sind immer auch bezogen auf die anderen, auf die Mitmenschen. Die Gaben des Geistes dienen also nicht nur zum Sich-Entwickeln und zur Selbstverwirklichung, sondern offenbar in erster Linie und ganz besonders auch zum Aufbau von Beziehung und Gemeinschaft. Ein lebendiges Gemeindeleben ist nur dann möglich, wenn möglichst viele und auch unterschiedliche Leute sich selber mit dem einbringen, was sie gut können, was ihnen liegt und was ihnen ein Anliegen ist. Im Pfingstfest verbinden sich also in wunderbare Weise die persönliche und die gemeinschaftliche, die individuelle und die gesellschaftliche Dimension miteinander.
Gottes Geistkraft lebt und wirkt in unserem Alltag
Die Spuren des Heiligen Geistes lassen sich im Leben von uns Menschen entdecken, in der Geschichte und im Hier und Heute. Unsere Welt, unser alltägliches Leben ist sein Ort, wo er lebt und wirkt. Diese Gaben und Spuren des Heiligen Geistes zu entdecken, das erfordert eine hörende und aufmerksame (Lebens-)Haltung und es braucht dazu Menschen, die unterscheiden können.
Wie überhaupt die Gabe der Unterscheidung wohl eine der wichtigsten Geistesgaben zu sein scheint: die Fähigkeit zu unterscheiden zwischen dem, was uns Menschen vom Leben wegführt, was Leben und Lebendigkeit verhindert oder zerstört, und dem, was uns zum Leben hinführt, was Leben und Lebendigkeit ermöglicht und fördert. Denn nicht alles, wo etwas los oder in Bewegung ist, ist Heiliger Geist.
Ein Kriterium, woran man den Geist erkennen kann, ist nach Paulus, dass er uns Menschen verbindet, zusammenführt und zusammenhält (Bild von einem Leib mit vielen Gliedern). Der Ungeist wäre dann das, was uns Menschen voneinander trennt und entfremdet.
Der Heilige Geist stiftet Frieden und Einheit - nicht Einheitlichkeit. Denn da werden die Unterschiede nicht einfach aufgehoben, da wird nicht alles gleich gemacht, da kann man sich (bis zu einem gewissen Grad) sogar fremd bleiben, aber dort bekommt jeder sein (Lebens-)Recht, seine Würde, seinen guten Platz zum Leben - gerade auch die Armen, Schwachen, Kranken, Behinderten, Unterdrückten, Fremden. Der gemeinsame Glaube an Menschlichkeit und Menschenwürde ist das, was verbindet.
Da darf auch eine Vielfalt sein und eine Unterschiedlichkeit und das, was jede:r einzelne in die Gemeinschaft einbringt, wird geachtet. Da gibt es kein Oben und Unten, kein Drinnen und Draußen, kein Mehr-wert und Weniger-wert. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ Da ist es nicht eng und eintönig, sondern lebendig und bunt.
Wer im Geist lebt, lebt im Überfluss
„Durch den Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“
So der letzte Satz der Lesung aus dem Korintherbrief. Auch hier lohnt es sich wieder, genau auf die Wortwahl des Heiligen Paulus zu achten. Nicht beschenkt oder behaftet oder ausgestattet, nein getränkt sind wir worden mit dem einen Geist. Das ist ein Wort und Bild, das den Überfluss zum Ausdruck bringt. Da ist das satte und volle Leben angesprochen, auch das leidenschaftliche Leben: Wer im Geist lebt, lebt im Überfluss!
Getränkt sind wir also mit dem einen Geist. Da muss es dann wohl aber auch so etwas geben wie einen pfingstlichen Rausch. Der Heilige Geist kann trunken machen.
Es ist nicht alles nur Sache des Verstandes, es geht nicht nur um Beherrschtheit und Kontrolliertheit, der heilige Geist bewirkt, dass wir manchmal auch ins Wanken kommen, er verweist uns darauf, die Dinge des Lebens auch mit Herz und Bauch, mit Gefühl und Intuition anzugehen.
Offenheit und Erneuerung
So dürfen wir ihn erbitten für uns selbst, aber auch für unsere Pfarrgemeinden, als Kirche am Ort. Dass dieses volle und satte Leben auch spürbar wird in Humor und Lachen, im Mut sich zu entwickeln und in der Bereitschaft sich zu erneuern. Dass er auch spürbar wird in der Freude und Offenheit, ihn - den Geist Gottes - wehen und wirken zu lassen, wo er will.
Abschließen möchte ich jetzt meine Gedanken mit einer wunderschöne Meditation zum Pfingstfest, deren Quelle ich nicht mehr eruieren konnte:
Das soll geschehen! Das ist nachösterliches Leben.
Alles wird dann irgendwie einfach und klar.
Verbunden leben wir dann und zwingen nicht.
Wir lieben und lassen uns lieben,
nehmen, geben und teilen,
verwirklichen, was in unserer Kraft steht,
erwarten das andere gelassen
und knüpfen am Netz der Verbundenheit, das uns trägt.
Wir Hilflosen helfen.
Wir Stummen finden eine Sprache.
Wir Blinden sehen den Himmel offen.
Uns Ängstliche erfasst Mut.
Einfälle fallen uns ein - vom Heiligen Geist geweckte Einfälle.
Wir werden wach und uns wächst die Kraft zu zum Handeln.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen pfingstliche Einfälle und die Bereitschaft, die Offenheit und den Mut, dass wir dem Heiligen Geist Raum geben in unserem Leben.
Wolfgang Bögl, Theologischer Assistent der KMB Linz